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Oh Schreck, ein Mann! oder: Warum sich Geduld auszahlt!

Neuigkeit

Ich möchte Ihnen heute gerne von Julian, Natalie und Mirko berichten. Julian und Natalie haben seit kurzem Familienzuwachs bekommen: unseren ehemaligen Pflegehund Mirko.

 

Mirko ist ein toller Bursche hatte aber eine starke Abneigung gegen Männer. 

 

Nichtsdestotrotz hat Julian das Herz von Mirko zwar nicht im Sturm, aber dann nach und nach erobert. Wie er das geschafft hat, möchte ich Ihnen gerne hier erzählen.

 

Doch von Anfang: Natalie und Julian hatten sich bei mir für Mirko beworben. Alles hörte sich wirklich toll an, Natalie war für Mirko geradezu wie perfekt gemacht. Mir bereitete Julian, der Mann im Hause, Kopfzerbrechen, denn Mirko entpuppte sich bei uns zwar als megatoller Hund, aber er hatte eine nicht schönzuredende Angst vor Männern.

Frauen und Kinder fand Mirko hingegen toll, vor allem wenn sie so sanftmütig und zart sind wie Natalie. Männer hingegen waren einfach nur gruselig, sie wurden verbellt – und kam trotz der Bellattacke einer zu nahe, nahm Mirko die Pfoten in die Hand und ergriff die Flucht.

Seit Mirkos Ankunft mied er z.B. unseren männlichen Mitbewohner partout. Dieser hat es auch bis heute nicht geschafft, Mirko zu knacken. Mirko weigerte sich einfach, ihn zu mögen. Er hatte keine Chance, nicht mit Leckerlies, nicht mit der täglichen Fütterung, er kam nicht an Mirko heran.

 

Dies ist kein Einzelfall.

Einige der Hunde, die aus unserem Partnertierheim den Weg in ein schönes Zuhause finden, haben anfänglich Probleme mit den Männern im Haushalt. Frauen hingegen sind meist die Königinnen und egal ob kuscheln, streicheln, Geschirr und Leine anlegen, alles kein Problem. Kommt hingegen der Herr des Hauses um die Ecke, wird der Schwanz eingezogen, geknurrt, nach vorne gegangen, die Hunde verkriechen sich unterm Bett oder in die letzte Ecke. Im seltenen, schlimmsten Fall wird gebissen, um sich das „Monster Mann“ vom Leib zu halten. Da muss man als Mann schon einiges an Wohlwollen für den “geretteten”  Tierschutzhund aufbringen…

 

Doch woher kommt es, dass es besonders Männer schwer bei den Hunden aus dem Tierschutz haben?

Tiere, die aus den südlichen oder osteuropäischen Ländern kommen, wurden u.U. Opfer von Misshandlung. Vielleicht wurden sie ausgesetzt oder mussten mit ansehen, wie Geschwister oder Eltern getötet wurden. Oft sind es Männer, die diese Gräueltaten „erledigen“.

Und auch in unserem Partnertierheim sind es in den meisten Fällen Männer, die die Hunde aus ihren Gehegen, aus ihrem sicheren Refugium, holen. Es bleibt nicht viel Zeit für Streicheleinheiten oder Geplänkel. Es geht oft Schlag auf Schlag, denn die Zeit rennt unaufhaltsam. Die Tiere müssen von der Tierärztin untersucht werden, sie müssen für den Transport vorbereitet werden, oder sie müssen einfach in andere Gehege umgesetzt werden. Das ist die tägliche Arbeit eines Tierheim-Mitarbeiters. Aber genau diese Erfahrungen setzen sich dann in den Köpfen unserer Fellnasen fest.

Angststörungen lassen sich nicht immer durch schlechte Erfahrungen erklären. Es spielen viele Faktoren mit, wenn es um Angst geht. So kann es die Größe und das Auftreten eines Mannes sein, was den Hund einschüchtert. Manchmal haben die Hunde schlicht und ergreifend gar keine Erfahrungen machen dürfen und sind verängstigt, weil sie Situationen nicht einschätzen können. Die Auswirkungen sind dann die gleichen.

Doch nun zurück zu Julian und Mirko:

 

Ein Treffen mit Natalie, Julian und Mirko stand bevor, und Mirko zeigte beim ersten Zusammentreffen auch gleich wo seine Schwachstelle liegt.

Während er nach einem kurzen Kennenlernen direkt um Natalie herumschwänzelte, wurde Julian argwöhnisch von Weitem betrachtet. Die mitgebrachte Leberwurst wurde nach mehreren Anläufen zwar angenommen, allerdings mutierte Mirko von einem Hund in der Länge von 90 cm auf geschätzte 150 cm um Julian ja nicht zu nahe kommen zu müssen. 

Julian hat sich davon kein bisschen beeindrucken lassen. Er wusste ja bereits, dass dies genauso passieren würde. Wir liefen los und Julian versuchte, sich immer wieder vorsichtig an Mirko heranzutasten, ohne Erfolgsdruck. Wenn Mirko nicht wollte und einmal mehr Schutz suchend Natalie und mich aufsuchte, freuten sich meine beiden anderen Hunde über die übrig gebliebene Leberwurst.

Natalie hielt sich konsequent im Hintergrund. Julian bot Mirko immer wieder die Hand, rief ihn, versuchte es wieder mit der Leberwurst, setzte sich zu Mirko auf den Boden, joggte ein wenig vor sich hin, und – oha – auf einmal lief Mirko hinter ihm her. Später dann bei uns Zuhause durfte sich Julian sogar zu Mirko aufs Sofa setzen, ohne dass Mirko die Flucht ergriff.

 

Nein, das Eis war noch lange nicht gebrochen, und es dauerte mehrere Wochen und viele Besuche mehr, bis Mirko Vertrauen zu Julian gefasst hatte. Immer wieder gab es Rückschläge, wenn z.B. Julian vom Stuhl aufstand, und Mirko wieder mit eingezogener Rute das Weite suchte. Natalie spielte in dieser ganzen Zeit nur die Statistenrolle, wir wollten ja vermeiden, dass aus Natalie und Mirko ein eingespieltes Team wird, während Julian dann das Nachsehen gehabt hätte.

 

Die Entscheidung, Mirko zu adoptieren, fiel schon nach kurzer Zeit, auch wenn es für die Drei viel Arbeit bedeutete. Aber mittlerweile können wir voller Freude sagen, dass die Familie zu einem tollen Team zusammen gewachsen ist. Mirko hat Julian genau wie Natalie in sein Herz geschlossen. Und nach einem langen Spaziergang und jeder Menge Spaß unterwegs, heißt es futtern und ab aufs Sofa… Julian und Mirko!

Was aber hat Julian anders gemacht als z.B. unser Mitbewohner?

Es gibt so viele Gründe, warum Tiere mit Angst reagieren und jedes Tier ist in seinem Handeln anders. Es gibt keine allgemeingültige Erklärung. Bei Julian lag es sicherlich mit daran,  dass er von Anfang an nicht den Anspruch hatte, dass es mit Mirko sofort klappen muss. Er wollte sich selbst und Mirko Zeit lassen und keinen Druck aufbauen. Julian hat sich sehr viel auf Mirkos Augenhöhe begeben, hat viel auf dem Boden gesessen, sich hingelegt so dass Mirko nicht das Gefühl hatte, dass Julian ständig über ihm steht. Das hat Mirko vieles erleichtert.  Mirko hat von Julian konsequent das Futter bekommen und viele Spaziergänge haben die beiden zusammen alleine gemacht.  Durchhaltevermögen könnte daher eine Erklärung sein. Denn Julian hat sich nicht abbringen lassen von seinem Ziel, auch wenn Mirko mal wieder die Frau im Haushalt vorgezogen hat.

Unsicherheiten oder Ängste verschwinden nicht von heute auf morgen. Sie bedeuten viel harte  Arbeit für alle Beteiligten und manchmal auch ungewöhnliche Schritte. 

Nehmen Sie es also nicht persönlich, wenn das neue Familienmitglied Sie als Mann meidet, es Angst vor Ihnen hat oder gar Reißaus nimmt etc.  Sehen Sie es als Herausforderung an, sich in das Herz Ihres neuen Familienmitgliedes zu schleichen.

Bleiben Sie nachsichtig, verständnisvoll, empathisch.  Viele Hunde schrecken vor Größe und sonorer Stimme zurück. Und wenn es nun mal der lange, schwarze Mantel ist, den Sie eigentlich so gerne tragen, der Ihrem Hund aber Angst einjagt, dann muss dieser eben vorerst im Schrank hängen bleiben. 

Die meisten Tiere tun sich viel leichter, wenn man sich zu ihnen hinunter lässt, sie erstmal auch nicht direkt anblickt. Erwarten Sie nicht, dass es gleich klappt, unter Umständen kann es Wochen (teilweise Monate) dauern, bis sich negativ Erlerntes in Positives umwandelt.

Futter ist essentiell! Warum also sollten Sie nicht „Dosenöffner“ werden und für das lebensnotwendige Gut sorgen.

Gassigänge machen glücklich. Und ich spreche hier nicht von dem Gassigang, um sich mal eben lösen zu können. Verbringen Sie gemeinsame Zeit, auch immer wieder nur Sie und Ihr Hund. Schöne, gemeinsame Aktivitäten sind nicht nur in einer Mensch-Mensch-Beziehung wichtig, sie sind auch die Säulen einer Mensch-Tier-Beziehung.

Ich weiß, es fällt schwer, über seinen eigenen Schatten zu springen, aber Ihr Hund wird Sie dafür lieben: Erheben Sie Ihre Stimme, wenn Sie Ihren Hund rufen oder loben. Loben Sie viel! Lassen Sie Ihre Stimme in den höchsten Tönen erklingen. Sie werden ziemlich schnell bemerken, dass sich etwas verändert, wie sich Ihr Familienmitglied über Ihr Lob und Ihren Ruf freut und schwanzwedelnd auf Sie zu gerannt kommt.

Abschließend möchte ich Ihnen noch sagen: Zeit regelt fast alles. Haben Sie Geduld, werfen Sie nicht die Flinte ins Korn, wenn es auch nach Wochen noch nicht gut funktioniert. Bleiben Sie dran und geben Sie nicht auf, Sie werden dafür belohnt werden, irgendwann. Pfote drauf!

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